Analytische Gestalttherapie
geht von einem positiven Welt- und Menschenbild aus. Ihre Begründer Fritz und Lore Perls brachten zusammen mit Paul Goodman Mitte des vergangenen Jahrhunderts verschiedene psychotherapeutische und philosophische Strömungen in diese ganzheitliche Form der Psychotherapie zusammen.
,Man muss bei sich selbst gewesen sein, um zum anderen zu gehen.'
(Martin Buber)
Analytische Gestalttherapie unterstützt Menschen behutsam darin, ihre Selbstwahrnehmung neu zu erforschen.
Die Beweggründe für unsere größtenteils unbewussten Reaktionsmuster können in Analytischer Gestalttherapie durch ein Erlebbar-Machen der Gedanken, der Gefühle und der körperlichen Reaktionen tiefer verstanden und nachvollzogen werden. Mit der Zeit ist es möglich, sich mehr und mehr mit sich selbst zu verbinden.
Dadurch entsteht mehr innere Freiheit und Flexibilität. Lebendigkeit und Lebensfreude können (wieder) in den Vordergrund rücken.
Ausführlich
Für alle, die sich etwas mehr einlesen möchten:
Was ist Analytische Gestalttherapie?
- Grundannahme
- Organismische Selbstregulation
- Der Gestalt-Begriff
- Der Kontakt-Begriff
Grundannahme
Der menschliche Organismus pendelt natürlicherweise zwischen den beiden Polen Wachstum und Sicherheit und ist bestrebt ein Gleichgewicht darin zu erreichen. Das geschieht größtenteils unbewusst und unser Organismus reguliert sich immer wieder neu, um mit der Dynamik und den Herausforderungen des Lebens zurecht zu kommen. Jeder Mensch befindet sich in dieser Pendelbewegung und jeder Mensch erlebt sie unterschiedlich aus seiner subjektiven Wahrnehmung auf das Leben.
Organismische Selbstregulation
Die Organismische Selbstregulation findet zum einen auf der körperlichen Ebene statt. Unser Herz schlägt bei Belastung automatisch schneller und unser Verdauungssystem arbeitet nahezu selbstständig, ohne, dass wir uns bewusst darauf konzentrieren müssten. Ganz ähnlich funktionieren die einmal erlernten körperlichen Bewegungen wie von selbst.
Auch Gedanken und Gefühle finden einfach statt. Sie sind auch dann da, wenn wir uns ihrer gar nicht bewusst sind.
So kann es passieren, dass wir unliebsame und schwierige Gefühle wiederkehrend erleben oder sich unsere Gedanken in vertrauten Schleifen drehen. Manchmal bemerken wir sie dann, wenn sie schon im Gange sind oder sie werden uns sogar erst im Nachhinein in einer Art Rückschau bewusst.
Gleichzeitig sendet uns unser gesamter Organismus aber auch Signale darüber, was uns gut tut und was wir gerade möchten. In unseren ersten Erfahrungen in Gemeinschaft (Familie, Kindergarten, Schule, Vereine usw.) haben wir oft gelernt, viele dieser Signale zu unterdrücken oder aufkommende Impulse zurückzuhalten z.B. mit dem Zweck, ein gemeinsames Ziel zu erreichen oder um sich als Gruppenmitglied akzeptiert und angenommen zu fühlen. Dadurch sind wir mit unserer Aufmerksamkeit viel im Außen.
Im Hier und Jetzt kann es hilfreich sein, die Wahrnehmung für die Signale aus unserem Inneren und damit auch unsere Bedürfnisse wieder mehr in den Vordergrund zu rücken.
,Mir wurde klar, dass man seine eigenen Bedürfnisse zurückschraubt, um den Schmerz abzuwenden,
der dann entsteht, wenn diese Bedürfnisse nicht erfüllt werden'
(Arno Gruen)
Der Gestalt-Begriff
,Unser Leben ist ein Strom, der aus einer Unzahl von Situationen (Gestalten) besteht, die ihrer Vollendung zustreben.' (Bruno-Paul de Roeck). Offene Gestalten sind z.B. unerledigte Konflikte, unbeachtete Wünsche, ungelebte Bedürfnisse oder etwas ganz schlichtes, wie eine unerledigte alltägliche Aufgabe, die mit Unlust verbunden ist.
Beim bewussten und unbewussten Streben nach dem inneren Gleichgewicht drängen die offenen Gestalten danach, wieder geschlossen zu werden. Das bedeutet, dass offene Konflikte erledigt werden wollen, Wünsche erfüllt und Bedürfnisse befriedet werden möchten. In der Hirnforschung spricht man davon, dass der Organismus permanent und immer wieder von neuem ein Kohärenzgefühl anstrebt, um in einem Zustand des Gleichgewichtes zu sein.
Das Wahrnehmen und das ,Schließen der eigenen offenen Gestalten' ist uns oftmals unzugänglich.
Wir merken dann erst an Gefühlen wie Unzufriedenheit, Ärger, Traurigkeit, Abgeschlagenheit und Unmut, dass Gestalten offen sind. Manchmal funktionieren unsere Bewältigungsstrategien nicht mehr so gut und wir erleben Gefühle der Hilflosigkeit.
,Einige Gefühle halten wichtige Erkenntnisse für uns bereit.'
(Jack Kornfield)
Der Kontakt-Begriff
Heilung findet an der Kontaktgrenze statt.
In der Analytischen Gestalttherapie werden sowohl die Psychologie des Kontaktes, als auch das individuelle 'So geworden Sein' berücksichtigt.
Das heißt, dass zum einen der Kontakt zwischen Klient*in und Therapeut*in im Hier und Jetzt Bestandteil des Prozesses ist. Zum anderen fließt das Erleben der Kontakte von Bezugspersonen aus Gegenwart und Vergangenheit in die Sitzungen mit ein.
Behutsam und achtsam für das Tempo der Klient*in unterstützt Analytische Gestalttherapie zunächst die Wahrnehmung für den Istzustand.
Das Kennenlernen der eigenen Lebensbewältigungsstrategien kann die Grundlage für eine bewusste Überprüfung der gewohnten Handlungsmechanismen sein. Mit zunehmendem Verständnis für die eigenen Kontaktgestaltungen ist es möglich, diese zu verändern und sich darin zunehmend flexibler und bewusster zu bewegen.
Achtsam können so neue Erfahrungen gemacht werden, Entscheidungen freier getroffen und Lebensfreude und Lebendigkeit (wieder-)erlangt werden.